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EINE GESCHICHTE


Wir erwarten Familienzuwachs
Eines Abends saßen wir in aller Stille so im Wohnzimmer herum und es war einfach nur still. Jede  Ecke gähnte und wir guckten uns so an. Und in dieser Stille hegte ich - noch still für mich - DIESEN Wunsch. Unsere Kinder waren flügge und kamen nur hin und wieder zu Besuch; mit den Enkelchen wird es auch noch dauern. Wir erinnerten uns oft an stillen Abenden- wenn wir so in unserer Stille saßen- daran, wie wir unsere Kinder bekamen. Die Schwangerschaften, die Zeit der Vorbereitung, das liebevolle Gestalten, das immer wieder Hin- und Hergerücke der Möbel, bis wir beide zustimmend nickten, das Ausschmücken mit buntem Allerlei, alles natürlich nur pädagogisch wertvoll und kindersicher ausgesucht . Wehmütig dachten wir an das Kindergetrappel auf den Treppen und das in den Ecken herumliegende Spielzeug zurück. Daran, wie die Kinder aus dem Garten kamen mit sandigen Füßchen und verschmierten Gesichtern, ihre Not, wenn der Waschlappen kam und die darunterliegenden rosigen Wangen sichtbar machte.
Nun war es einfach nur still.
Eines Tages kam der Moment. Ich rief meinen Mann an, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Ich konnte nicht bis abends warten, ich war viel zu aufgeregt! In der Leitung war erst einmal Stille. Dann verabredeten wir uns in unserem Lieblingsrestaurant, dort wo wir uns einmal kennengelernt hatten, wir stundenlang über alles Mögliche gelacht und geredet haben und gewußt haben: Ja, wir haben uns gefunden. Das ist es- das wird meine Familie!
Heute saßen wir uns gegenüber, bestellten unseren Tee und dann sprudelte ich erneut los: „Wir haben noch das richtigen Alter, wir haben Platz, die nötige Ruhe und Gelassenheit, es ist so still geworden... bitte, jetzt, was spricht dagegen???
Laß uns ein Kätzchen haben!“
Das kam meinem Mann nun eigentlich zu plötzlich, aber mir erschien das auf einmal lebensnotwendig. Mein Herz hüpfte vor Aufregung und ich hatte Sehnsucht nach Katzenmautz und Futter zubereiten, Schnütchen wischen und das Getrappel auf der Treppe, wenn sie uns entgegen laufen würde.
Na gut, wir können ja mal gucken, aber nur mal gucken!! Natürlich hatte ich schon eine Adresse in der Hosentasche. Anruf, Termin und hin. Da saßen sie nun, die vielen kleinen Kätzchen und guckten auch. Und da schauten mich diese zwei Augen hinter einem dicken Ast an, ganz vorsichtig, riesengroß und das Schnütchen war weiß wie gerade aus dem Puderzuckernapf. Ich griff nach dem Arm von meinem Mann und flüsterte ganz aufgeregt: „Guck doch mal...“ Und er guckte und sagte erst einmal gar nichts. Er ist kein Mann der schnellen Entscheidungen, das bedarf ausgiebiger Überlegung und dann Vorbereitung! Die Züchterin pries ohne Punkt und Komma ihre Babys an und ich hörte doch eigentlich nichts. Ich sah nur diese großen Augen und den verstohlenen Blick. Das erste Foto wurde schnell noch gemacht, dann griff mein Mann nach meinem Arm und wir gingen dann im Vorgarten auf und ab. Wir beobachteten die Hühner und den Hahn, die da so glücklich herum stolzierten.
„Geht nicht auch ein Huhn?“ fragte mein Mann mitten in die Stille seiner Überlegungen und setzte sein Lächeln ein, dieses mit leicht gekräuselten Lippen. Augenblicklich brach mein Hormonhaushalt zusammen und ich sah die verpaßte Chance: Ich wollte Katzenmama werden und alle Zeichen waren auf Jetzt geschaltet! Wie bei einer Spätgebärenden tickte meine Zeit und drehte Gedankenrunden im Schnelldurchlauf.
Behutsam lenkte mich mein Mann noch einmal Richtung Restaurant und bestellte noch eine ganze Kanne Tee. Das bedeutete Zeit gewinnen! Mit gut sortierten Worten brach er die Stille. Aufmerksam goß er meinen Tee ein, schob die Tasse zu mir herüber: „ Trinken nicht vergessen - in diesem Zustand!“
Ich war im Ausnahmezustand!
Alles wurde abgewogen und, und, und....ja es soll sein! Wir entschieden uns zum Abbruch aller Widergedanken und für das Für!
Wir teilten der Züchterin unsere Entscheidung mit und legten den Termin fest.
In 9 Tagen sollte es soweit sein.
Als ich mein erstes Kind bekam, vertraute ich auf meine Instinkte, alles sollte ganz natürlich seinen Gang gehen, wie die Natur es seit Gedenken regelt.
Vor der Ankunft des Katzenbabys war ich nicht annähernd so gelassen.  Wir lasen alle verfügbaren Ratgeber und ich fasste alle mir wichtig erscheinenden Beiträge aus den in der Kürze erhältlichen Büchern vor dem Schlafen in Kurzvorträgen zusammen. Mein Mann war der verständnisvollste Mann überhaupt und strich liebevoll grinsend über die Bettdecke mit der Bemerkung:“ Strampelt es schon?“
Meine Freundinnen guckten etwas mitleidig nach immer wiederkehrendem, ausschweifendem Mitteilungsbedürfnis, ähnlich wie bei täglicher morgendlicher Übelkeit. Nach 5 Tagen mußte ich versprechen, mal nicht über Katze und Milchzähnchen zu reden, bekam aber doch eine wunderschöne Haarbürste für die Katze geschenkt und ein Vornamenbuch geliehen.
Meine Schwiegereltern, Oma und Opa wurden natürlich feierlich eingeweiht. Sie sagten nur wie aus einem Munde: „So ein Aufstand, und das nur wegen einer Katze! Und dann noch eine Perserkatze... so ein Sensibelchen!“
Ja, eben, sensibles Thema und ich wurde die ganzen langen 9 Tage auch so behandelt. Ich fühlte mich wie eine Risikoschwangere: Auf was man so alles achten soll, richtige Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel je nach Lebensmonat,  sinnvolles Spielzeug, Klettergerüst, besondere Haarpflege, besonders sanfte Pflegemittel, geeigneter Schlafplatz, stille Ecken für ausreichend Ruhe zwischendurch und und und.
Meine Ruhe war dahin. Ich träumte aufgeregt und mein Mann deckte mich immer wieder zu mit schlaftrunkener sanfter Stimme:“ Wir schaffen das schon, wird alles gut!“

16.06.09/ Schottmann